Verband hannoverscher landwirtschaftlicher Genossenschaften, Hannover / Genossenschaftsverband - Verband der Regionen
Es gab und gibt noch immer eine große Anzahl von genossenschaftlichen (Prüfungs-) Verbänden. Hier spiegeln sich nicht nur die verschiedenen Wirtschaftsformen wieder (z.B. ländlich, gewerblich, Wohnungsbau, Handel usw.). Es treten auch die teilweise nicht überbrückbaren unterschiedlichen Auffassungen der genossenschaftlichen „Gründerväter“ zu Tage.
Bei Gründung der ersten Genossenschaften mussten als Rechtskonstrukt noch verschiedene Gesetze herangezogen werden. Der Genossenschaftspionier Hermann Schultze-Delitzsch (Gründer u.a. von gewerblichen Kredit- und Handwerkergenossenschaften) hat maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Genossenschaftsgesetzes. Er brachte am 10. März 1863 im Preußischen Abgeordneten Haus einen Gesetzesentwurf ein. Viele seiner Anregungen und Wünsche flossen später auch in das „Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ vom 1. Mai 1889 ein. Deren wesentliche Bestandteile gelten noch heute. In § 53 ff werden Prüfungsverbände und eine Pflichtmitgliedschaft der Genossenschaften geregelt.
Ein Großteil der Genossenschaften unserer ländlichen Region ist Mitglied im „Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.“, Sitz Frankfurt am Main. Daher hier beispielhaft der Weg dorthin:
Am 4. Juli 1889 fand in Bassum eine Versammlung von Molkereigenossenschaften statt, um auf Grund des oben erwähnten neuen Genossenschaftsgesetzes vom 1. Mai 1889 einen Revisionsverband für den Regierungsbezirk Hannover zu gründen. Auf dieser Versammlung schlug der spätere Verbandsdirektor Landesökonomierat Dr. h.c. Peter Johannssen vor, statt eines Molkereiverbandes gleich einen Revisionsverband aller landwirtschaftlichen Genossenschaften für die ganze Provinz Hannover zu gründen. Zu dieser Versammlung am 5. September 1889 trafen sich dann Vertreter hiesiger Genossenschaften in Hannover, um den „Revisionsverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Provinz Hannover und dem Hamburger Gebiet“ zu gründen. Ein entsprechendes Statut hatte Peter Johannssen, damals als Generalsekretär der Königlichen Landwirtschaftsgesellschaft (später Landwirtschaftskammer Hannover), vorgelegt. Der neue Verband schloss sich nach der Gründung sogleich der „Vereinigung deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften“ an, dem späteren „Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen e.V.“. Bereits 1894 wurde das Gebiet ausgedehnt und 1931 kam Braunschweig hinzu. Neuer Name: „Verband ländlicher Genossenschaften Hannover-Braunschweig e.V.“ 1938 gehörten 2.620 Genossenschaften dem Verband an. Der Verbandstag am 7.12.1961 änderte den Namen in „Raiffeisenverband Hannover e.V.“ Zusammen mit dem Niedersächsischen Genossenschaftsverband wurde 1974 der „Genossenschaftsverband Niedersachsen e.V.“ gebildet. Nach der Wiedervereinigung kamen Verbände in Sachsen-Anhalt und Berlin-Bandenburg zum „Genossenschaftsverband Berlin-Hannover e.V.“ hinzu.
Der „Nordwestdeutscher Genossenschaftsverband (Schultze-Delitzsch) e.V.“ (dem auch die gewerblichen Volksbanken unserer Region angehörten) hatte sich zwischenzeitlich 1988 mit den Schleswig-Holsteinern zusammengetan. 2002 wurde aus allen der „Genossenschaftsverband Norddeutschland e.V.“. Durch einen weiteren Fusionsprozess entstand in Südwestdeutschland und Thüringen 2002 der „Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland Pfalz/Saarland/Thüringen e.V.“. Diese 2002 entstandenen Verbände taten sich dann 2008 zum „Genossenschaftsverband e.V.“ zusammen. Kritiker nannten ihn „Verband ohne Namen“. Sie meinten, § 63 c des Genossenschaftsgesetzes sei nicht genügend erfüllt. 2013 kam der „Mitteldeutsche Genossenschaftsverband“ hinzu. Als Letztes erfolgte 2017 die Verschmelzung des „Genossenschaftsverband e.V.“ mit dem „Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband e.V.“ zum „Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.“ mit dem Sitz in Frankfurt am Main. Dieser hatte 2018 rund 2.800 Mitgliedsgenossenschaften in 14 Bundesländern.
Neben neu gegründeten kleineren Prüfungsverbänden und solchen für spezielle Genossenschaftstypen (wie z.B. Wohnungsbaugenossenschaften) besteht außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg unverändert der 1890 gegründete „Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V.“.
Auch im Nebeneinander der Verbände in Niedersachsen gab es Reibereien, wie ein dem Archiv vorliegender Schriftverkehr zeigt: 1969 wollten zwei ländliche Spar- und Darlehnskassen in unserer Region zusammengehen und im neuen Namen als „Volksbank“ firmieren. Daraufhin versuchte der gewerbliche Schulze-Delitzsch-Verband, die ländliche Genossenschaft „abzuwerben“ und zum Übertritt zu gewinnen.
Unserem Archiv liegen wohl alle monatlichen Publikationen vor: Blätter für das Genossenschaftswesen (Hrsg. Schulze-Delitzsch) ab 1864, Genossenschaftliche Mitteilungen des Verbandes ländlicher Genossenschaften Hannover-Braunschweig ab Nr. 1/1943 – 1988, Genossenschaftsverband Niedersachsen 1989 – 1993, Dialog 1/1994 – 2008, Netzwerk ab 2009.
Andererseits haben wir umfangreiches weiteres Archivmaterial. Vor allem auch Individual-Unterlagen und Prüfungsberichte bei den einzelnen Genossenschaften.
Quellen:
Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen mit besonderer Berücksichtigung der hannoverschen Verhältnisse, Franz Bussen, Hannover 1928
75 Jahre Werden und Wirken des Raiffeisenverbandes Hannover e.V., Dr. Heinrich Meyerholz, Hannover 1964
Die Geschichte der DZ Bank, Timothy Guinnane u.a., München 2013
sowie Wikipedia-Plattform, Stand März 2020
Walsroder Zeitung
Hier folgen Zeitungsartikel über obigen Genossenschaftsverband.
Eine Aufstellung weiterer deutscher Genossenschaftsverbände mit den dazugehörenden Zeitungsartikeln finden Sie unter „Genossenschaftsverbände (allgemein)“, Ort: Überregional